Jenseits Phantásiens: Einen Reiseführer

 

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Ein Buch ohne Wörter

 

Johanna war eigentlich ein ganz normales Mädchen. Sie war 10 Jahre alt und in der 4. Klasse. Ihr Vater war alleinerziehend und musste bis spät abends arbeiten. Daher besuchte Johanna den Hort schon morgens früh vor der Schule und nachmittags meistens bis er um 18.00 schloss. Sie hatte nie ihre Mutter kennengelernt und fragte auch kaum nach ihr. Es war besser so, denn ihr Vater würde immer gleichzeitig wütend und traurig wenn sie es wagte nach Informationen zu haken.

In der Schule war sie so mittelmäßig, nicht der Beste und nicht der Schlechteste. Sie liebte Bücher und lesen und vertiefte sich gerne im Hort während den Freizeitaktivitäten mit ein Buch dass sie aus der Stadtbücherei geholt hatte am Samstag zuvor. Samstags waren Büchereitage und die waren heilig. Jeden Samstag nahm ihr Vater sie zur Stadtbücherei und sie suchte sich Bücher aus für die kommende Woche. Johanna liebte Bücher von Michael Ende, Cornelia Funke, und ähnliche Schriftstellern, Bücher wo das Fantastische real würde und normale Kinder mitnahm in seine Welt.

Heimlich, wünschte sie sich dass auch sie so ein Abenteuer haben könnte, auch wenn sie wusste dass das alles nur Geschichten waren und so etwas nicht passieren konnte. Aber sie wünschte es sich. Sie wünschte es sich zu Weihnachten am Heilig Abend und zum Geburtstag beim Kerzen ausblasen und wenn sie Sternschnuppen sah. Und sie gab nie die Hoffnung auf.

Als sie dann eines Samstags das Buch fand, dachte sie erst nicht so viel davon. Es war alt, mit einem dunkelblauen Umschlag, schon verfärbt an den Rändern. Es hatte keinen Titel und keinen Namen von dem Schriftsteller auf dem Rücken und selbst vorne stand nicht wer es geschrieben hatte. Da stand nur der Titel, Jenseits Phantásiens: Einen Reiseführer, in schnörkeliger silberner Schrift das schon halb abgeblättert war.

Irgendetwas zog Johanna an dieses Buch, vielleicht war es der Titel, vielleicht war es die Idee das irgendjemand weiter geschrieben hätte über Phantásien, das Land einer ihrer Lieblingsbücher, vielleicht war es einfach Neugier was für ein Buch sich ausgibt als Reiseführer anstatt als Geschichte, und darum lieh sie es an diesem Tag aus mit ihren anderen Bücher.

Es war erst Mittwoch nachmittag im Hort dass sie das Buch näher anschaute und merkte dass es keine normalen Zeichen von ein Leihbuch hatte. Es hatte keinen Plastik über den Umschlag, keinen Barcode, keine Stempel die es markierten als Eigentum der Bücherei. Jetzt wo sie sich genau entsann, hatte die Fr. Binder in der Kinderabteilung ihr nicht nur ein seltsamen Blick gegeben und dann das Buch zu den anderen, schon ausgeliehen und entsichert.

‚Merkwürdig,’ dachte Johanna. ‚Heißt das dann dass es auch keinen Leihfrist hat?’ Sie klappte das Buch auf. Es ging nur sehr schwer auf, als ob man es schon lange nicht geöffnet hätte. Die erste Seite war leer. Die zweite Seite war der Titel in der selbe schnörkeliger Schrift wie auf dem Umschlag umringt von den zwei bekannten Schlangen, eine weiß, eine schwarz, die sich gegenseitig in den Schwanz beißen. Aber warte mal! Johanna zögerte. In der unendlichen Geschichte bissen beide Schlagen sich gegenseitig in den Schwanz und bildeten so einen unendlichen Kreis. Hier aber, sie merkte es gerade, war der Kreis unten unterbrochen. Die obere Schlange biss noch fest in den Schwanz von ihren nächsten, aber die untere Schlange hatte los gelassen und der Kreis war offen. Ein Wasserfall war abgebildet mit Ursprung wo der Kreis geöffnet würde und er floss die Seite runter bis er zu einem Fluss wurde der in einen dunklen Wald verschwand bis er zwischen Wiesen und winzige Dörfer an der Ecke des Blatts wieder kurz auftauchte. Die Zeichnung breitet sich aus bis zur gegenüberliegende Seite und sieht wirklich aus wie eine altertümliche Karte.

Johanna saß ganz lange da und schaute sich das detaillierte Bild an. Dann, völlig aufgeregt über diese neue Geschichte, drehte sie die Seite.

Die Seite war leer. Sie hätte heulen können vor Enttäuschung. Aber sie war schon groß, sie kam ja nächstes Jahr auf die Realschule, und danach vielleicht auf das Gymnasium wenn sie schlau genug war, und darum verkniff sie sich die Tränen. Anstatt probierte sie die nächsten Seiten anzuschauen.

Es ging nicht. Es war als ob jemand die Seiten fest geklebt hätte. Sie saßen fest. Nicht mal die Ecken kamen hoch.

Jetzt völlig sauer, von der Hoffnung und die folgende Enttäuschung, schmiss Johanna das Buch wieder in ihrer Schultasche und stand auf. Sie hatte auf einmal Lust zu laufen und zu klettern. Sie ging raus auf den Spielplatz.

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